Das Rhöner Rind hat überlebt
25.09.2018 MAINPOST
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Gruppenbild mit Bulle (vorn links): Die Bio-Rinder-Großfamilie auf der Weide von Reinhold Bauer in Bad Bocklet.

Sind Weiderinder glücklicher als ihre Artgenossen im Stall? Landwirt Reinhold Bauer vom Bad Bockleter Quellenhof ist fest davon überzeugt, denn die Tiere sind von April bis Oktober im Freien – und das von Klein auf. „Die Rinder wachsen stressärmer auf und sind deshalb ausgeglichener“, ergänzt Stefan Hohmann. Der Vorsitzende des Vereins Rhöner Biosphärenrind muss es wissen, denn all das ist immer wieder Thema im Verein, der vor 20 Jahren gegründet wurde und dem heute 99 Landwirte aus den fünf Landkreisen im Biosphärenreservat Rhön angehören.

Früher wurde im Familienbetrieb von Reinhold Bauer auch Getreide angebaut. „Doch Anfang der 1980er Jahre gingen die Preise runter“, sagt er. Darauf musste er damals reagieren. „Ich hab auf reine Grünland-Bewirtschaftung umgestellt und fing damals mit 20 bis 30 Mutterkühen an.“ Heute haben die Bauers – Sohn Sebastian hat den Hof inzwischen übernommen – 100 Mutterkühe samt Nachwuchs auf verschiedenen Weiden bei Bad Bocklet und direkt in der Rhön, bei Sandberg, stehen.

Rinder laufen gerne
Für Vereinsvorsitzenden Hohmann ist eins ganz wichtig: „Die Tiere weiden zu lassen, war und ist die natürlichste Art der Rinderhaltung.“ Denn das Rind ist ein Lauf- und Herdentier, sagt er. Deshalb nimmt es, im Vergleich zum Stall-Rind, auch täglich weniger zu. Durch die Bewegung werde dann mehr intramuskuläres Fett eingelagert, weshalb das Fleisch dieser Tiere später beim Verzehr auch sehr zart sei, erklärt Hohmann die kausalen Zusammenhänge der Biorinder-Zucht. Erwiesen sei inzwischen weiterhin, dass wegen des hohen Gras-Verzehrs im Sommer das Fett dieser Tiere „gutes“ Fett sei, weil es recht viel der gesunden ungesättigten Fettsäuren (Omega drei und Omega sechs) aufweist.

Der Sommer 2018 wird allerdings auch den Haltern von Biorindern ewig im Gedächtnis haften: Denn die Weiden waren irgendwann alle dürr. Eiweißträger, wie zum Beispiel Luzerne und Kleegras, waren schließlich weg. Die ausgedörrten Halme mussten durch ein Mehr an Mineralfutter ersetzt werden. „Davon haben wir heuer besonders viel gebraucht“, bekräftigt Landwirt Bauer.

Früher gab’s den Hütejungen
Während noch in den 1950er Jahren der Hütejunge die Rinder im Dorf aus den Höfen abholte und raus auf die Weiden trieb, wurden die Rinder in den darauf folgenden Jahrzehnten im Zuge der Intensivierungsbestrebungen in der Landwirtschaft vorwiegend in Ställen gehalten. Die Folge war, dass beispielsweise in der Rhön die zahlreichen Hutungen (Weiden) verbuschten, sagt Reinhold Bauer. Doch inzwischen werden dort wieder zahlreiche Rinder gehalten, was sich auf die Flora und Fauna der Rhön bereits bestens ausgewirkt hat, weiß der Bad Bockleter Landwirt.

 Der Nachwuchs auf den Bad Bockleter Weiden wächst und gedeiht. Schon 14 Tage nach der Geburt fressen die Kälbchen Grünfutter und dürfen mit raus auf die Weiden.

Gehalten werden im Biosphärenreservat alle möglichen Rassen, wie zum Beispiel die als besonders gutmütig geltenden Angus-Rinder und die anspruchslosen und klimatoleranten Hereford-Rinder aus England, sagt Vereinsvorsitzender Hohmann. Auf den Rhön-Hutungen grasen zudem die beiden in Deutschland wichtigsten Rinderrassen Limousin und Charolais (ursprünglich aus Frankreich). Weiterhin ist hierzulande das Rote Höhenvieh zu finden, eine robuste und widerstandsfähige Mittelgebirgsrasse, die angeblich auf die Kelten zurückgeht und die übrigens knapp dem Aussterben entgangen sein soll.

Gelbvieh wird immer seltener
Das Gelbvieh entstammt dem roten altfränkischen Vieh, in das im Laufe der Jahrhunderte verschiedene weitere Rassen eingekreuzt wurden. Das Gelbvieh war das typische Rind in der bayrischen Rhön und im Spessart. Die Rasse Gelbvieh stellt heute jedoch nur noch 0,3 Prozent des bayerischen Rinderbestandes, wenn man den Ausführungen der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH, Sitz in Witzenhausen) im Internet Glauben schenken darf. Größere neue Gelbviehbetriebe entstünden heute deshalb nicht mehr, weil sich die landwirtschaftlichen Betriebe entweder auf den Ackerbau spezialisierten oder zunehmend leistungsstärkere Rassen, etwa Fleckvieh, aber auch Holstein-Rinder, für die Milcherzeugung bevorzugten, heißt es auf der Homepage der Gesellschaft.

Der Verein Rhöner Biosphären-Rind wird 20 Jahre alt – ein Grund nachzufragen, was ein glückliches Weiderind eigentlich ausmacht. Auf der Weide von Reinhold Bauer (Bad Bocklet) dabei: Vereinsvorsitzender Stefan Hohmann (Hilders) und Projektmanagerin Corinna Ullrich von der Öko-Modellregion Rhön-Grabfeld (Bad Neustadt).

Der Verein Rhöner Biosphären-Rind wird dieser Tage 20 Jahre alt. Beim Pressetermin In Bad Bocklet waren mit dabei (von links) Vereinsvorsitzender Stefan Hohmann, Landwirt Reinhold Bauer und Corinna Ullrich (Öko-Modellregion Rhön-Grabfeld). Foto: Isolde Krapf
Rindfleisch aus der Rhön gibt es schon lange in einzelnen Verbrauchermärkten zu kaufen, denn die Gründung des Vereins Rhöner Biosphärenrind vor 20 Jahren geht eigentlich auf die Initiative des Handelsunternehmens Tegut (Fulda) zurück, sagt Vorsitzender Hohmann. Doch seit September 2017 werde in den Einkaufsmärkten offensiv mit dem Label des Rhöner Biosphärenrinds geworben.

Festbetrieb auf dem Biohof
Zunächst waren drei Märkte beteiligt. Inzwischen findet man das Rindfleisch aus der Rhön laut Hohmann in 13 Geschäften, darunter auch in Bad Kissingen und in Bad Neustadt.

Wer sich für das Thema interessiert, kann sich beim Geburtstagsfest des Vereins Rhöner Biosphärenrind am 30. September auf dem Biohof Eichler im hessischen Simmershausen/Hilders schlau machen. Nach einem Gipfelgottesdienst ist ab Mittag Festbetrieb mit Leckereien rund um Ochs und Rind. Von 14 bis 16 Uhr kann man die Tiere auf den Weiden besuchen. Dann geht’s mit den Kindern ab in den Streichelzoo.

Quelle: MAINPOST
Von: Isolde Krapf
Fotos: Isolde Krapf