Die Verbraucher wollen wissen, woher das Fleisch stammt
01.08.2019 biokreis

Vor 20 Jahren wurde die Idee noch belächelt, heute ist der Rhöner Biosphärenrind e.V. mit seinen regionalen Fleischprodukten auf der Höhe der Zeit. Vereinsvorsitzender Stefan Hohmann spricht im Interview über die Verbindung von Naturschutz und Vermarktung.

Interview mit Stefan Hohmann, Vorsitzender des Rhöner Biosphärenrind e.V.

Herr Hohmann, das Biosphärenreservat Rhön gehört seit 1991 zum UNESCO Weltkulturerbe. Was macht das Gebiet einzigartig?

Das Besondere ist die reizvolle Mittelgebirgslandschaft mit viel Weideland, die einer Vielzahl stark bedrohter Arten Lebensraum bietet. Es gibt relativ wenig Wald und vor allem in den Höhenlagen kaum Ackerbau. Dafür haben wir hier viele Hutungen, also karge Wiesen, die nur durch die Beweidung freigehalten werden. Das Gebiet ist daher wie geschaffen für die Rinderhaltung. Die Tiere haben, wann immer möglich, Weidegang und sind so lange wie möglich draußen. Das ist die natürlichste Art der Rinderhaltung.

Das Biosphärenreservat umfasst Gebiete in Bayern, Hessen und Thüringen. Wo weiden die Biosphärenrinder?

Ursprünglich waren die Betriebe im Rhöner Biosphärenrind e.V. Bewirtschafter von Hutungen auf der Hohen Rhön. Da wir heute mehr Mitglieder haben und sich die Betriebe weiterentwickelt haben, ist das inzwischen etwas anders. Heute können alle Landwirte Mitglied werden, die ihre Höfe in einem der fünf Rhön-Landkreise Fulda, Wartburg, Schmalkalden-Meiningen, Rhön-Grabfeld und Bad Kissingen haben. Die Nord-Süd-Ausdehnung des Gebiets reicht von Hammelburg bis Bad Hersfeld. Jedoch leisten auch viele weitere Betriebe einen Beitrag zur Erhaltung der Kulturlandschaft, indem sie zum Beispiel ihre Tiere in den Sommermonaten auf die Hutungen bringen.

Wie kam es zur Gründung des Rhöner Biosphärenrind e.V.?

Das war 1998. Damals waren die Direktvermarkter in der Region stark vertreten. Bio war noch nicht in aller Munde und das wollten wir gemeinsam ändern. Wir haben erstmals versucht, Bio-Fleisch in den Lebensmitteleinzelhandel zu bringen. So mussten die Direktvermarkter sich nicht mehr allein um ihre Vermarktung kümmern. Viele Landwirte hier sind im Nebenerwerb tätig und haben dafür keine Zeit. Durch den Verein können sie die Tiere mit Abnahmegarantie liefern und die landwirtschaftliche Nutzung in der Region bleibt erhalten. Alles andere ist über unsere Vereinsstruktur organisiert. Wir bieten also einen guten Service für die Landwirte. Aber nicht nur die reine Abwicklung ist wichtig. Für uns Landwirte steht nach wie vor der Gemeinschaftssinn im Fokus. Es geht darum, sich gemeinsam weiterzuentwickeln, dabei etwas für die Region zu tun und sich gegenseitig auszutauschen. Das ist unerlässlich für uns.

Wie hat sich die Vermarktung über den Verein entwickelt?

Vor 20 Jahren war tegut… der erste Einzelhändler, der das Fleisch in sein Angebot aufnahm. Damals wurde das Rhöner Biosphärenrind noch nicht ausgelobt. Das heißt, das Fleisch wurde mit anderen Lieferanten zusammengefasst. Das hat sich inzwischen geändert. Seit zwei Jahren ist das Fleisch mit unserem Logo versehen. So haben die Verbraucher die Möglichkeit, direkt zu den Produkten vom Rhöner Biosphärenrind zu greifen. Wir müssen sehen, ob sie das Angebot dauerhaft annehmen und dieses Fleisch gezielt kaufen.

Hat Ihnen der Trend zu regionalen Produkten geholfen?

Ja. Wir sind in der glücklichen Lage, dass momentan regionales Bio-Rindfleisch wie das von unseren Tieren zunehmend nachgefragt wird. Die Verbraucher wollen wissen, wo die Tiere herkommen und woher das Fleisch stammt. Deswegen sind wir jetzt nach 20 Jahren, die der Verein bereits besteht, voll auf der Höhe der Zeit.

Wird das Fleisch auch auf anderen Wegen verkauft?

Im Moment vermarkten wir nur über tegut… Letztes Jahr haben wir rund 850 Ochsen, Färsen und Kühe geliefert. Damit sind wir im Moment in zwölf tegut…-Märkten vertreten. Der Bedarf ist groß, wir könnten also noch viel mehr liefern.

Welche Rolle spielt die Lebensweise der Tiere bei der Vermarktung?

Wir machen viel Öffentlichkeitsarbeit, zum Beispiel über Führungen und Präsentationen. Wir gehen auch in die tegut…-Märkte und erklären die Verbindung von Naturschutz und regionaler Vermarktung, die hinter dem Produkt steckt. Denn dieser Grundgedanke ist das Entscheidende.

Sind alle Landwirte im Verein Bio-Bauern?

Ja. Wenn die Bauern an tegut… liefern wollen, müssen sie zusätzlich einem Verband angehören. Wir stehen mit allen Verbänden in gutem Kontakt und schreiben keinen Verband vor. Aber das Rhöner Biosphärenrind ist auch Urzelle des Biokreis hier bei uns in der Rhön. Etwa 50 Prozent der knapp 100 Landwirte sind Biokreis-Mitglieder.

Suchen Sie noch weitere Landwirte?

Wir freuen uns über jeden Landwirt, der unsere Gedanken mittragen möchte und im Verein dabei sein will. Derzeit ist die Nachfrage nach regionalem Bio-Fleisch sehr gut, so dass wir auch noch „Die Verbraucher wollen wissen, woher das Fleisch stammt“ neue Landwirte aufnehmen können. Wir schlachten alle 14 Tage auf einem Schlachthof in Fulda, haben also kurze Transportwege für die Tiere. Es ist wichtig für uns, dass wir den Tieren so wenig Stress wie möglich bereiten. Entscheidend ist zwar, wie die Tiere gehalten werden, aber auch die Verarbeitung von der Schlachtung bis zur Veredelung spielt für die Qualität eine wichtige Rolle.

Wie wirkt sich die Lebensweise der Tiere auf die Fleischqualität aus?

Die Ochsen und Färsen haben durch die lange Zeit auf der Weide einen anderen Geschmack. Das Fleisch ist relativ zart. Weil die Tiere mehr Bewegung haben und artgerechter leben, sind die kleinen Fettäderchen im Fleisch besser verteilt. Einfluss hat sicherlich auch das langsamere Wachstum und das damit verbundene etwas höhere Alter der Tiere.

Der Begriff „Biosphärenrind“ steht nicht für eine bestimmte Rasse. Welche Rinderarten halten die beteiligten Landwirte?

Wir haben mit dem Fleckvieh angefangen, weil das die ursprüngliche Rasse der Rhön ist. Mittlerweile haben wir verschiedene Fleischrinderrassen wie Angus, Rotes Höhenvieh oder Gelbvieh dabei. Nur Exoten wie Galloways oder Highland Cattle nehmen wir nicht auf. Neben der Rasse sind aber auch Qualitäten und Schlachtgewichte zu berücksichtigen.

Vermarkten Sie auch noch andere Produkte?

Im Verein Rhöner Biosphärenrind e.V. steht ganz klar das Fleisch im Fokus. Über die Dachmarke Rhön werden aber auch schon viele Produkte angeboten. Darüber hinaus sind in den letzten Jahren in den Landkreisen Fulda und Rhön-Grabfeld Ökomodellregionen entstanden. Hier gibt es Überlegungen, eine regionale Heumilch zu entwickeln.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Hohmann!

Quelle: biokreis
Von: Stephanie Lehmann
Fotos: Stefan Hohmann